Da könnte jetzt was deine Heimat werden – Interview mit Deyar Teil 2/3

Ich: Lernt du mit deiner neugierigen Art auch ständig Leute außerhalb deines Friseursalons kennen?

Deyar: Ja klar, häufig werde ich auf der Straße angesprochen – „hey cooler Bart“ – und dann sage ich wenn der einen hat – „Danke du auch“ –  oder wenn der keinen hat – „lass den wachsen, wird dir auch stehen“. Und so kommen ich dann immer wieder ins Gespräch und werde gefragt, was ich mache. „Ich bin Friseur, in der Kölnstraße“ und Zack so kommt das mit dem Kontakt. Und dann frag ich „was machst du? – ja ich habe ein Cafe“ und dann geh ich ihn besuchen, er kommt hierhin, ich versuch irgendwie immer Kontakt aufzunehmen und dann im Kontakt zu bleiben, Kreislauf.

Ich: Manchen Leuten fällt das ja schwer neue Leute kennen zu lernen also, einfach Fremde anzusprechen, oder so. Hast du da aus deiner Erfahrung vielleicht einen Tip?

Deyar: Oh, bei mir ist das offen sein, so wie du selbst bist. Wenn du dir treu bleibst so wie du bist, dann ist es nicht schwierig, aber ein Konzept dafür gibt es nicht. Du darfst nicht ernst sein. Wenn ich mal einen schlechten Menschen kennen lerne, dann vergesse ich den schnell und der nächste ist dann ein freundlicher Mensch.  Falls ich schnell merke, dass ein Mensch  nicht so offen ist, dann muss ich es auch nicht erzwingen, dann ist die Energie verschwunden. Falls du einen offenen Mensch vor dir hast, dann kannst du vieles Gemeinsames machen, aber wenn du versuchst einen geschlossen Mensch auf deine Art und Weise zu öffnen, wird das nie gut gehen. Das wird schwierig. Boah, was könnte ich denn Menschen aus meiner Sicht noch raten? (überlegt). Trink Bier in einer Kneipe und das kommt von alleine. Also sei außergewöhnlich, entwickle eine eigene Marke. Ich passe mich immer an, wenn ich merke dass das angebrachter wäre. Wenn ich auf einem Geburtstag eingeladen bin und alle tanzen, dann tanz ich natürlich auch mit. Und dann stelle ich auch wieder Fragen wieso , warum, weshalb. Ich bin immer neugierig, aber nicht aufdringlich und versuche den Leuten nicht zu nahe zu treten, sondern so langsam … und Alkohol hilft immer.

Ich: Vielleicht strahlst du das auch aus, dass du wirkliches Interesse an den Leuten hast…

Deyar: Also ich würde schon sagen, dass ist das Interesse und die Neugierde an den Menschen.  Ich will schon viele Geschichten wissen und verstehen, warum wieso, weshalb. Das ist bei mir zuhause auch ständig so. Dann frage ich meine Verwandten, die in einem bestimmtem Alter sind –„ey wie hast du deine Frau kennengelernt, wie hast du geheiratet warum hast du sie geheiratet, wieviele Kamele hast du gegeben, wurde Musik gemacht, war das eine arrangierte Hochzeit“ –  diese Geschichten will ich wissen. Mich kannst du wirklich mit einer Geschichte glücklicher machen als mit finanziellen Mitteln. Einen Gegenstand mit einer Geschichte hat für mich einen hohen Wert. Das ganze materielle, das ich hier im Laden habe, haben alle eine Geschichte dahinter, woher ich  das habe. Ich habe hier keine Gegenstände neu vom Markt geholt, sondern das sind alles Gebrauchte, die in irgendeiner Art und Weise eine Geschichte hinter sich haben. Ja, das ist die Neugierde dahinter. Meine Eltern sagen immer ich bin im falschen Zeitalter geboren worden.

Im Friseursalon

Ich: Wieso?

Deyar: Weil ich sehr in der Vergangenheit lebe. Ich liebe Vergangenheit. Also ich liebe alles was so Vintage ist, so Texasleben. Etwas aus der Pfanne essen und nicht mit der Gabel und Messer.

Ich: Dann bist du ja quasi ein Geschichtensammler.

Deyar: Ja, ich sammle gerne Geschichten über alles mögliche. Und dann kann ich mir auch die Geschichten von einem Kunden  merken, was wir uns beim letzten Mal oder auch ersten Mal erzählt haben. Das ist sehr krass! Wo ich aber wirklich Schwierigkeiten mit habe, ist es mir Namen zu merken. Ich kann mir die Namen nicht immer merken, dafür aber die Geschichte. Das merke ich mir besser. Ich kann nicht auswendig lernen, schulisch war ich nie gut. Aber handwerklich und wenn ich während ich arbeite die Geschichte höre, kann ich mir das besser merken, das verbinden.

Ich: Kannst du dir den Haarschnitt dazu merken?

Deyar: Ja , wirklich! Während mir jemand eine Geschichte erzählt, dann kann ich mich auch an den Haarschnitt erinnern, den ich das letzte Mal gemacht habe. Das ist wirklich so. Und deshalb verbinde ich immer beides zusammen. Die Geschichte und Haare schneiden.

Ich: Da du hier ja wirklich viele Kunden hast, die aus Bonn kommen und dir ihre Geschichten erzählen, bist du ja in einer sehr interessanten Position und bekommst viel mit, was in Bonn passiert. Was sind denn so die Themen die Sorgen, die Sehnsüchte die du so mitkriegst?

Deyar: Boah, starke Themen sind jetzt besonders Umwelt, Klimawandel und Nachhaltigkeit. Da bewege ich mich jetzt auch langsam immer mehr hin. Ich habe angefangen, die Produkte anzupassen und will das jetzt mit Pfandplastik angehen. Das heißt, dass dann die Verpackungen unserer Produkte wieder zurückkommen. Und wir überlegen wie wir auch zum Klimaschutz beitragen und irgendwie mithelfen können. Aber wir fangen jetzt erstmal an und gucken was da raus kommt.

Ich: Kommt da auch mal das Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt auf den Tisch, wird das auch besprochen?

Deyar: Ja, sehr. Also das Thema kommt dann häufig auf Flüchtlinge und wie ich das sehe. Es gibt viele gute, guck mich mal an, ich habe mich hier auch integriert und trinke mit euch ein Bier und esse Schweinefleisch oder hab die Sprache gelernt, meine Ausbildung und meinen Schulabschluss hier gemacht. Es gibt viele gute, auch mein Azubi, der kommt aus dem gleichen Dorf wie ich, der Farzad, der ist auch auf einem sehr guten Weg. Wenn der weiter so macht, könnte der einen ähnlichen Weg gehen wie ich. Wenn der seine Ausbildung macht und dann seinen Meister, dann vielleicht auch seinen eigenen Laden. Ich kenne auch seine Brüder. Die haben ihre Schule abgeschlossen, hier studiert und arbeiten an der Uni Klinik. Von dem Negativen, was man in den Medien  hört, das kenne ich gar nicht aus meinem Umfeld. Ich als Iraker habe auch keinen Kontakt mit solchen Leuten und du als Deutscher erst recht nicht. Auch wenn er mein Nachbar ist oder mein Verwandter, ob Deutscher oder Iraker, wenn er ein schlechter Mensch ist, brauche ich das nicht.

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